Der Cyberangriff, der am Dienstag Sachsen-Anhalts Regierungs- und Behörden-Websites lahmlegte, hat möglicherweise viel größere Ausmaße als bisher bekannt. Nach Recherchen der in Halle scheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Donnerstagsausgabe) ermittelt nun auch das Bundeskriminalamt in dem Fall. Das bestätigte Sachsen-Anhalts Landeskriminalamt (LKA) dem Blatt am Mittwoch. Es geht dabei auch um die Frage, ob die Digitalattacke vom Dienstag Teil einer international rollenden Angriffswelle war.
Derzeit werde ermittelt, ob auch andere europäische Staaten von den sogenannten DDoS-Attacken betroffen waren, bestätigte LKA-Sprecher Michael Klocke der MZ. Zu Ergebnissen könne er sich „noch nicht abschließend äußern“. Nach MZ-Recherchen soll es aber unter anderem in Polen zu ähnlichen Attacken gekommen sein. Mit „DDoS“-Angriffen sollen attackierte Computersysteme mit massenhaften, gezielten Anfragen lahmgelegt werden. Genau solche Angriffe gab es am Dienstag auf Sachsen-Anhalts Regierungs- und Behörden-Websites, so dass diese sicherheitshalber vom Internet getrennt werden mussten.
In Mecklenburg-Vorpommern prüfen Experten aktuell Hinweise, nach denen der Cyberangriff russischen Ursprungs sein könnte. Sachsen-Anhalts LKA prüft indes, ob der Digitalangriff eine Art Vergeltungsschlag für den Nato-Beitritts Finnlands ist. „Üblicherweise vermeidet das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt Spekulationen zu einer möglichen Tatmotivation“, sagte LKA-Sprecher Klocke der MZ. „Wir werden aber eingehende Hinweise überprüfen.“ Schon am Tag des russischen Einmarschs in die Ukraine vor gut einem Jahr hatte es Cyberangriffe in Europa gegeben, gestört wurde damals die Fernwartung Tausender Windkraftanlagen.
Schwerwiegend ist zudem, dass die aktuellen „DDoS“-Attacke nicht nur staatliche Websites betrafen, sondern auch Akteure der Privatwirtschaft. „Nach den ersten Ermittlungen lässt sich konstatieren, dass auch Unternehmen mit verschiedenen Spezialisierungen betroffen sind“, erklärte Sachsen-Anhalts LKA auf MZ-Anfrage. Weitere Details nannten die Ermittler zunächst nicht, auch nicht zu den Branchen der Firmen. Indes gab es am Mittwoch weitere Digitalattacken auf staatliche Websites: Thüringen und Schleswig-Holstein meldete neue Angriffe, einige offizielle Internetseiten blieben zeitweise tot.
Das Bundeskriminalamt ließ eine Anfrage der MZ zu den aktuellen Ermittlungen zunächst unbeantwortet.
Mitteldeutsche Zeitung